… entstanden im Rahmen des ILS-Studiums, 2017 …
„Ich schreibe, seit ich 6 bin.“ Diesen Satz hören früher oder später alle Menschen von mir, die ich länger kenne. Meist eher später als zu früh. Mein exzessives Schreibverhalten ist für mich schon eher privat.
Geboren 1979 nahe der Ostsee, wuchs ich in einer kleinen Familie auf, in der Literatur keine unwesentliche Rolle gespielt hat. Meine Oma war in einem Schreibzirkel und hat einen Teil ihrer Memoiren verfasst. Seit ihrem Tod ist ihre Tochter meine wichtigste Kritikerin. (So sie genug Zeit übrig hat.) Meine Mutter schreibt eher esoterisch-romantische Texte. Unser Schreibstil unterscheidet sich enorm. Mein jüngerer Bruder postet philosophische Abhandlungen in seinen Blogs. Und mein Schwesterchen hat mit 16 einen Roman fertig gestellt, der aber nie gedruckt worden ist. Heute, als Deutschlehrerin, hat sie kaum noch Zeit oder Muße, etwas Eigenes zu produzieren.
Meine Mutter wollte auch Deutschlehrerin werden, durfte aber nicht als Kind zweier DDR-Intellektueller. Und vielleicht hätte auch ich besser Literatur studieren sollen? Stattdessen bin ich Sozialpädagogin geworden. Wie mein Vater. (Der immerhin marxistische Pamphlete für seine Parteizeitung verfasst.) Wir beide lieben unseren Job. Wie viele Sprösslinge bin ich eine Mischung aus beiden Familien: Mein Leben lang habe ich geschrieben, eher mehr, statt weniger, und sammelte zeitgleich viele berufliche Erfahrungen, die mich zu der gemacht haben, die ich bin.
Im 1. Schuljahr begann ich, kurze Geschichten zu erfinden. Über Pioniere, Ufos oder gruselige Ferien auf dem Land. Die Originaltexte lagern noch in irgendeiner Kellerkiste. In Klasse 4 lernte ich, meine Schreibversuche auf der Büroschreibmaschine meiner Oma abzutippen. Computer waren damals noch Zukunftsmusik. Ich liebte das gedruckte Wort sehr! Das Erbe meiner Oma, über 70 Bücher der Weltliteratur, steht nun in meinem Wohnzimmer. Obwohl ich, rückblickend betrachtet, immer lieber selbst geschrieben habe, als die Werke anderer zu lesen.
Zeit ist stets ein entscheidender Faktor. Das Schreiben ist mehr als ein Hobby für mich. An Phantasie hat es mir nie gemangelt. Oder an dem Drang, Gedanken schriftlich zu fixieren, ob in Reimform oder per Tagebuch. Mein Geschriebenes hat es in ein paar Anthologien geschafft. Ich gründete eine Schreibgruppe und moderierte, trotz Lampenfieber, eine offene Literatur-Bühne in meiner Wahlheimat Berlin. Ein Dutzend Zeitschriften-Artikel sind ebenso auf meiner Publikationsliste zu finden. Im Bearbeitungsmodus indes ruhen mehrere Roman-Manuskripte auf diversen Festplatten sowie 150 Kurzgeschichten und 300 Liebesgedichte.
Meine Diplomarbeit verfasste ich über Grimms Märchen im Kontext parteilicher Mädchenarbeit. Was dazu beitrug, nicht vorzeitig abzubrechen. Der Stoff hat mich schlichtweg inspiriert. Meinen Lebensunterhalt musste ich in den 9 Uni-Jahren selbst finanzieren. Die übrige Zeit investierte ich aber nicht etwa ins Studium, sondern in meine literarischen Ergüsse. Zugegeben, das war nicht immer gut für mich. Ich verlor eine Liebe. Auch Freundschaften. Vor allem jedoch den Zugang zum Leben fernab meines geliebten Laptops. Und würde ich an dieser Stelle behaupten, nie davon geträumt zu haben, eine berühmte Autorin zu werden, würde ich lügen. Mit den Jahren jedoch hat der Wunsch sich mehr und mehr gewandelt. Warum? Der Umstand, nie mit einem Manuskript fertig geworden zu sein, hat mich durchaus frustriert. Bis mir letztlich sogar die Ideen ausgingen, sodass ich im Sommer 2015 zwangsläufig einen Schreibstopp einlegen musste. Die Geburt meiner Tochter hatte sicher einen entscheidenden Anteil daran.
Seither leben wir in einer queeren WG in Lichtenberg. Ich liebe unser Familienleben! Die Kreativ-Pause war dennoch heilsam. Irgendwann habe ich mich nämlich tatsächlich gelangweilt; eine ganz neue Erfahrung. Schreiben ist identitätsstiftend für mich. Es hat mir gefehlt, jeden einzelnen Tag. Deshalb nun dieses Fernstudium. Ich möchte herausfinden, ob „biographisches Schreiben“ eine Option sein könnte. Mit und für andere. Warum ich keins meiner Manuskripte vorzeigbar finde. Oder warum mir das Kürzen die größten Schwierigkeiten bereitet (trotz längerer Überarbeitungszeit ist dieser Aufsatz weiterhin 1296 Zeichen zu lang).
Ich schreibe, seit ich 6 bin. Und habe vor, dies bis ans Lebensende zu tun. Die Zeit dafür? Habe ich. Immer. Das Studieren soll leicht gehen, mir aber auch neue Perspektiven eröffnen. Parallel arbeite ich mit einem befreundeten Grafiker an einer Kinderbuchidee. Und es wäre erneut gelogen, zu behaupten, dass ich eine Veröffentlichung nicht erstrebenswert fände. Geschichten erfinden, daran zu arbeiten, mit anderen zusammen, noch dazu mit dem richtigen Handwerkszeug im Gepäck – das jedoch ist mir nach über 30 Jahren Schreibarbeit das Wichtigste.